Besprechung des Urteils zum Reiserecht Amtsgericht Düsseldorf, Urteil vom 26. Februar 2021 –
37 C 414/20
Das Amtsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass sich bereits aus pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen im Hotelbetrieb eine Reisepreisminderung gemäß § 651 m BGB ergibt. Das Gericht hat einem Reisenden eine Minderungsquote von 20% zugestanden.
Was war geschehen?
Der Kläger hatte im Dezember 2019 einen Familienurlaub nach Portugal gebucht. Der Kläger reiste zusammen mit seiner Ehefrau sowie einer 9 Jahre alten und einer 5 Jahre alten Tochter.
Laut der Beschreibung verfügte das Hotel einen Swimmingpool mit separatem Kinderpool, ein Hallenbad, einen Whirlpool, einen Fitnessraum und einen Spielplatz. Im Hinblick auf behördlich angeordnete Hygienemaßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie kam es zu Einschränkungen in der Nutzung von Hoteleinrichtungen. Der Spielplatz durfte nicht benutzt werden, das gleiche galt für den Fitnessraum. Ferner konnte das Essen nicht in Form eines Buffets serviert werden, sondern es durfte sich im Raum der 2-mal täglichen Essensausgabe jeweils nur eine Familie aufhalten. Hierdurch kam es zu Wartezeiten bei der Essensausgabe von durchschnittlich 45 Minuten. Ferner waren das Hallenbad und der Whirlpool geschlossen, der Außenpool war nur nach Reservierung jeweils für einen halben Tag benutzbar. Darüber hinaus war auch innerhalb der Benutzungszeiten der Pool nur für 15 Personen und im Kinderpool ein Kind nutzbar, im Anschluss wurde der Pool jeweils desinfiziert.
Der Reisende verlangte eine Minderung der Reisekosten um 20%. Der Veranstalter lehnte dies ab, doch das Amtsgericht Düsseldorf gab dem Reisenden recht.
Begründung des Gerichts:
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Gericht aus, dass es für die Annahme eines Mangels und des Anspruchs auf Minderung zunächst nicht darauf ankommt, dass der Veranstalter nicht zuständig für die Einschränkung des Hotelbetriebs ist, da ein Mangel auch bei höherer Gewalt angenommen werden kann.
Die aufgrund der Corona-Pandemie bestehenden Einschränkungen gingen auch deutlich über typische Alltagsbeeinträchtigungen hinaus und stellen auch keine Realisierung eines alltäglichen Lebensrisikos dar.
Durch die geltenden Beschränkungen ist der Sinn und Zweck des Erholungsurlaubs beeinträchtigt, so dass sich die Höhe der Minderung nach der Relation zwischen dem vorgesehenen Nutzen der Reise als Erholungsurlaub und der Beeinträchtigung dieses Nutzens bestimmt. Das Gericht unterscheidet dabei auch zwischen einem Familienurlaub und dem Urlaub einer Einzelperson, da je nach Art des Urlaubs eine unterschiedliche gewichtung der Beeinträchtigungen geboten ist.
Die Beeinträchtigung der Reise sieht das Gericht darin, dass der typische Inhalt des Urlaubs, des sich frei bewegen Könnens und die freie Interaktion mit anderen Gästen drastisch beeinträchtigt ist.
Diese Einschränkung der menschlicher Grundbedürfnisse Kontakte herstellen zu können, stellt eine erhebliche psychische Beeinträchtigung dar, die die Erholungswirkung eines Urlaubs regelmäßig beeinträchtigen.
Sehr zutreffend formuliert das Gericht:
Wird man hingegen im Urlaub durch allgegenwärtige Hygienemaßnahmen praktisch vom Zeitpunkt des Aufstehens bis zum Zeitpunkt des Schlafengehens ständig daran erinnert, dass ein normaler Alltag den Menschen nicht einmal mehr im Urlaub gewährt ist, liegt hierin offensichtlich eine erhebliche Beeinträchtigung der Erholungsfunktion des Urlaubs, die bereits für sich genommen eine Minderung rechtfertigt.
Im entschiedenen Fall kam dann noch hinzu, dass der zugesicherte Kinderpool jeweils nur von einem Kind genutzt werden konnte.
Somit waren die Voraussetzungen der gesetzlichen Regelung erfüllt, dass der Reisende von der Reise zurücktreten konnte und der Veranstalter keinen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung hatte. Da es sich für den Veranstalter erkennbar um eine Familienurlaub gehandelt hatte und auch dieser Nutzen beeinträchtigt wurde, sprach das Gericht auch hierfür eine Minderung zu.
Zu guter Letzt wurde dann für die Ermittlung der Minderungsquote noch auf die Schließung der Fitnessräume abgestellt und das Gericht kam in der Gesamtschau zu einer Minderungsquote von 20%.
Welche Konsequenzen hat dieses Urteil?
Die genannte Argumentation wurde meinerseits auch schon verwendet, um eine Minderung der Reisekosten zu erreichen, nachdem der eigentliche Streit um den Rücktritt vom Reisvertrag ging. Bislang wurde meine Fälle durch Vergleich beigelegt, so dass es auf die Beantwortung der Frage der Minderung nicht mehr ankam. Der ein oder andere Richter teilte in Hinweisen mit, dass er dies nicht so sehen würde. Die Entscheidung des AG Düsseldorf ist somit ein großer Gewinn für die Reisenden und nach meiner Ansicht ist die Argumentation sehr überzeugend und sollte in anderen Verfahren eingesetzt werden, um die Position der reisenden Mandanten zu stärken. Ob andere Gerichte dieser Auffassung folgen werden, bleibt abzuwarten, doch haben Reisende immerhin ein Urteil, auf dass sie sich beziehen können.
Ob das Urteil bereits rechtskräftig ist oder seitens des Veranstalters mit der Berufung angegriffen wurde, lässt sich der Veröffentlichung nicht entnehmen. Die Entscheidung ist äußerst aktuell und stammt vom 26.02.2021.
Welchen praktischen Nutzen hat das Urteil?
Sollten Sie in Ihrem Urlaub vergleichbare Erfahrungen mit Beeinträchtigungen gemacht haben (Maskenpflicht, Abstandregelung, Schließung relevanter Hoteleinrichtungen, etc.), verlange Sie eine Erstattung des Reisepreises mit den oben angeführten Argumenten.
Dieser Rat bezieht sich insbesondere auf Reisen, die vor Ausbruch der Pandemie gebucht wurden, bzw. zu einem Zeitpunkt, als von diesen drastisch einschränkenden Maßnahmen noch nichts bekannt war.
Empfehlenswert ist es auf jeden Fall auch diese Umstände als Mangel vor Ort beim Veranstalter zu melden, unabhängig davon, ob dieser Abhilfe schaffen kann oder nicht. Dies sollten Sie umsetzen, wenn Ihr Urlaub noch bevorsteht.
Ob die gleiche Argumentation auch für Reisen greift, die in Kenntnis der Einschränkungen gebucht wurden, bleibt abzuwarten.
Die Rechtsprechung zum Reiserecht ist inzwischen in vollem Gange. Viele Einzelfragen sind aber noch ungeklärt und noch nicht höchstrichterlich entschieden. Viele veröffentlichte Entscheidungen zeigen aber verbraucherschützende Tendenzen und auch Urteil des AG Düsseldorf geht ebenfalls in diese Richtung
Gehen Sie davon aus, dass die Veranstalter sich gegen diese Entscheidung wehren werden und diese als „Einzelfallentscheidung“ abtun. Ähnliches war bereits im letzten Jahr zu erkennen, als die Veranstalter sich gegen das Urteil des AG Frankfurt zum kostenfreien Rücktritt gewehrt haben. Die Rechtspraxis zeigte, dass das Urteil des AG Frankfurt schnell kein Einzelfallurteil blieb und viele Veranstalter kommen den Reisenden inzwischen zumindest vor Gericht entgegen. Durchhaltevermögen lohnt sich in diesen Fallen durchaus, sofern die Ansprüche der Reisenden anhand des Sachverhalts gut argumentierbar sind.
Vielen Dank fürs Lesen und bleiben Sie gesund!
Liedorp-Osner
Rechtsanwalt