Corona und Reiserecht: Urteil des Amtsgerichts Köln vom 14.09.2020, Az: 133 C 213/20

Das Amtsgericht Köln hat am 14.09.2020 eine Entscheidung zum Thema Corona und Reiserecht veröffentlicht (AZ: 133 C 213/20). Es handelt sich dabei um die zweite mir bekannte Entscheidung eines Gerichts zum Thema Kostenerstattung bei Rücktritt wegen der Corona-Pandemie.

Das Amtsgericht entschied dabei zu Gunsten des Reisenden und der Veranstalter wurde verurteilt, die getätigten Zahlungen vollständig zu erstatten. Das Gericht entschied aber auch, dass in diesem Fall die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zu erstatten waren.

 

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Es war am 07.01.2020 eine Reise nach Japan gebucht worden. Am 02.03.2020 veröffentlichte das Auswärtige Amt, dass Neuinfektionen u.a. vermehrt in Japan aufträten. Weiter wies das Amt auf die Symptome und den Verlauf der Krankheit hin sowie auf die ausgerufene Notlage durch die WHO.

 

Die Reisende wandte sich daraufhin an den Veranstalter und widerrief den Reisevertrag und kündigte/stornierte die Reise hilfsweise und bezog sich in ihrem Schreiben ausdrücklich auf die gesetzliche Regelung des § 651h BGB sowie auf die zunehmend unsichere Lage im Reisegebiet unter Bezug auf die Äußerungen der Regierung sowie auf den Hinweis des Veranstalters, dass vorerst keine Reisen in Länder durchgeführt werden würden, die vom Virus betroffen waren, wobei der Veranstalter nur China und den Iran erwähnte.

Der Veranstalter verweigerte eindeutig und endgültig jede Zahlung an die Klägerin.

Diese schaltete einen Anwalt ein, der nochmals vorgerichtlich tätig wurde und danach Klage einreichte.

Das Amtsgericht Köln entschied größtenteils zu Gunsten der Klägerin. Bezüglich der Hauptsache erhielt sie voll umfänglich Recht ,bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltskosten wurde die Klage abgewiesen.

Bezüglich der Erstattung der Reisepreisanzahlung nahm das Gericht mehrfach Bezug auf die bereits veröffentlichte Entscheidung des AG Frankfurt vom 11.08.2020, 32 C 2136/20, machte aber weitergehende Ausführungen.

Zunächst befasste sich das Gericht mit den Formulierungen im Schreiben der Klägerin und wies darauf hin, dass das Reiserecht die gewählten Formulierungen so nicht kenne. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist der Rücktritt zu erklären. Aufgrund des klaren Hinweises auf § 651h BGB und den restlichen Inhalt, ließ man die Erklärung aber genügen, zumal die Beklagte dies auch als Rücktritt erkannte und behandelte.

Es wurde darauf eingegangen, dass es entscheidend auf den Zeitpunkt ankommt, wann der Reisende den Rücktritt erklärt und dass auf die Sicht des Reisenden zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung abzustellen ist. Deutlich wurde gesagt, dass ein „Nachschieben von Gründen“ oder ein verfrühter Rücktritt zu Lasten des Reisenden gehen.

 

Das Amtsgericht Köln verwies sodann darauf, dass es ältere Rechtsprechung im Reiserecht zum Thema Prognoseentscheidung des Reisenden für anwendbar hält. So genügte z.B. nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Wahrscheinlichkeit von 25%, dass es im Reisegebiet zu einem Hurrikan kommen könnte.

Ausdrücklich verwies man auch auf eine als überzeugende Definition dargestellte Formulierung aus der juristischen Literatur.

Demnach liegt eine erhebliche Beeinträchtigung  schon dann vor, wenn es zwar überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Gefährdung nicht eintritt, aber gewisse, nicht fernliegende und von der Hand zu weisende, objektive und nicht nur auf Ängsten des Erklärenden beruhende Umstände für den gegenteiligen Ablauf sprechen. Diese Kriterien seien auch auf die Pandemie-Situation anzuwenden.

 

Weiter klarstellend wird nochmals formuliert, dass gerade kein Warnhinweis des Auswärtigen Amts vorliegen muss. Es genügt eine reiner Sicherheitshinweis durch das Amt.

 

Sinngemäß führt man in Bezug auf die Corona-Pandemie aus:

 

Gerade wenn mit den bevorstehenden Gefahren, die realistische Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung, die zu einer erheblichen Gesundheitsgefährdung und bis zum Tod führen kann, dürfen bei einer sich schnell verbreitenden Infektionsrate keine zu hohen Voraussetzungen für den Rücktritt gesetzt werden“.

 

Für en Rücktritt ließ es das Amtsgericht genügen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung für die Klägerin im Fall des Reiseantritts deutlich wahrscheinlicher war als beim Verbleib zu Hause.

 

Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten scheiterte in diesem Einzelfall daran, dass der Veranstalter jegliche Erstattung im Vorfeld endgültig und ernsthaft verweigert hatte. Die Klägerin durfte daher nicht davon ausgehen, dass die Beauftragung eines Anwalts daran etwas ändern würde.

 

Konsequenzen für die Praxis:

 

Was bedeutet dieses Urteil für die Reisenden?

Zunächst ist damit klar, dass die Kriterien, die das Amtsgericht Frankfurt angeführt hat, auch hier Anwendung finden und es wurde eine verwertbare Definition für die Prognoseentscheidung geliefert.

In meiner Praxis hat sich gezeigt, dass Veranstalter gerne darauf hinweisen, dass es sich bei der Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt um eine Einzelfallentscheidung handelte, die nicht grundsätzlich anwendbar sein. Zwar war diese Aussage in der pauschalen Form noch nie ganz richtig, doch zeigt sich, dass auch andere Gerichte ähnlich entscheiden und argumentieren. Dies kann den ablehnenden Veranstaltern jetzt mit etwas mehr Vehemenz entgegengehalten werden.

 

Relevant ist sicherlich die Beschäftigung des Gerichts mit der Formulierung der Erklärung der Reisenden. Achten Sie weiterhin ganz bewusst darauf, auf die Corona-Pandemie hinzuweisen. Je ausführlicher desto besser. Verwenden Sie den Rechtsbegriff des Rücktritts und weisen Sie zusätzlich auf § 651h BGB hin, um auf der sicheren Seite zu sein. Nichts wäre bitterer, als einen Anspruch zu haben, der an der Formulierung der Erklärung scheitert.

 

Sollen Sie jetzt auf die Einschaltung eines Anwalts verzichten?

Die klare Antwort: Nein! Zum einen bedienen sich diverse Veranstalter noch immer der „Vogel-Straß-Taktik“ und reagieren schlicht gar nicht. In diesen Fällen ist die Beauftragung eines Anwalts immer sinnvoll und dessen Kosten können zur Erstattung verlangt werden. Hat der Veranstalter die Erstattung verweigert, muss aber klar sein, dass dann am besten direkt ins Klageverfahren übergegangen werden sollte. Hier könnte es sein, dass der Mandant auf den vorgerichtlichen Anwaltskosten „sitzen bleibt“. Dies kommt nicht ganz so schlimm zum Tragen, wenn eine Rechtsschutzversicherung besteht. Sollten Sie nach dem Lesen dieses Beitrags zu einem Anwalt gehen, weisen sie ihn oder sie am besten auf das Urteil des Amtsgerichts Köln hin.

 

Das Urteil ist ein weiterer Schritt Richtung Rechtssicherheit in der Beratung und gibt den Anwälten mehr Sicherheit bei der Prüfung der Ansprüche.

 

Anders als das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt ist dieses Urteil aber noch nicht rechtskräftig und kann im Zuge der Berufung noch angegriffen werden.

 

 

 

 

 

 

 

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Thomas Liedorp-Osner

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Rechtsanwalt für Vertragsrecht und Internetrecht

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