Ich möchte an dieser Stelle über eine wichtige Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Aktenzeichen C-774/22 vom 29.07.2024 sprechen.
In dieser Entscheidung hat der EuGH klargestellt, dass Verbraucher im Reiserecht nicht mehr am Gerichtsstand des Reiseveranstalters klagen müssen, sondern am Gericht ihres Wohnsitzes klagen können, wenn es im Streit um eine Reise mit Auslandsbezug geht.
Ich stelle die enormen Auswirkungen des Urteils an einem Beispiel dar:
Sie haben Ihren Wohnsitz hier in Worms und buchen eine Pauschalreise nach Spanien.
Bei der Durchführung der Reise kommt es zu Mängeln und der Veranstalter will keine Reisepreisminderung zugestehen. Bislang war die einhellige Ansicht der Rechtsprechung, dass Sie eine Klage dann am Sitz des Veranstalters geltend machen mussten. Für die großen deutschen Reiseveranstalter bedeutet dies, dass der Kunde aus Worms in Hannover, Duisburg, Köln, München klagen musste, da dort die großen Reiseveranstalter ihren Sitz hatten.
Das ändert sich mit dem Urteil des EuGH gravierend.
Der EuGH hat unmissverständlich klargestellt, dass die europarechtlichen Verbraucherschutzvorschriften der Zivilprozessordnung vorgehen.
Das hat zur Folge, dass der Kunde aus Worms künftig seine Ansprüche vor dem Amtsgericht Worms geltend machen kann, der Kunde aus Karlsruhe am Amtsgericht Karlsruhe und der Kunde aus Berlin in Berlin etc.
Dies stellt für den Kunden und den ihn vertretenden Rechtsanwalt eine enorme Erleichterung dar.
Eine mündliche Verhandlung und eine etwaige Zeugenbefragung finden somit zukünftig nicht mehr weit weg, vom Wohnort des Kunden statt, sondern direkt vor seiner Haustüre.
Man muss keinen Antrag auf Durchführung der Verhandlung im Zuge der Videoübertragung stellen und man muss auch keinen Anwalt am Sitz des weit entfernten Gerichts suchen und beauftragen, sondern kann alles in der eignen Nähe klären lassen.
Das stellt für die Kunden eine erhebliche Erleichterung dar und nimmt auch den finanziellen Druck, der durch eigene Reisekosten, Reisekosten des Anwalts oder Zusatzkosten für einen weiteren Anwalt vor Ort entstanden sind.
Bislang erfolgte die Rechtsprechung im Reiserecht nahezu ausschließlich an den genannten Gerichtsstandorten und war eingefahren.
Das wird sich durch das Urteil des EuGH deutlich verändern.
Wann hilft Ihnen dieses Urteil und findet auf ihren Fall Anwendung?
Sie müssen Verbraucher sein und auf der Gegenseite muss sich ein Unternehmen befinden. Das ist bei jeder Reisebuchung im Regelfall erfüllt, zeigt aber, dass dieses Urteil auf reine Geschäftsreisen keine Anwendung findet.
Die Reise muss einen Auslandsbezug haben. Für Urlaubsreisen, die im Inland gebucht und durchgeführt werden, findet dieses Urteil keine Anwendung.
Ausgenommen sind auch reine Beförderungsdienstleistungen. Wenn Sie also nur einen Flug gebucht haben oder nur eine Bahnreise, findet das Urteil keine Anwendung. In allen anderen Fällen greift es, wie z.B. auch bei der Buchung eines Hotelzimmers oder einer Ferienwohnung über einen Reiseveranstalter oder auch bei der reinen Buchung eines Mietwagens im Ausland.
Dieses Recht zum Schutz des Verbrauchers kann nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden. Würde Ihr Reisevertrag eine von diesem Grundsatz abweichende Klausel enthalten, wäre sie unwirksam.
Das Urteil gilt auch, wenn der Veranstalter seinen Sitz im Ausland hat.
Wenn Sie also ein Ferienhaus über einen großen Freizeitpark im Ausland gebucht haben und es ergeben sich Mängel, können Sie an Ihrem aktuellen Wohnsitz klagen und müssen nicht im Ausland klagen.
Sofern sich das Angebot eines ausländischen Anbieters auf den deutschen Markt bezieht, findet auch deutsches Recht Anwendung.
Fazit:
Mit dem genannten Urteil erleichtert der Europäische Gerichtshof die Geltendmachung von reiserechtlichen Ansprüchen enorm. Der Kunde wird wesentlich besser geschützt, da er seinen Anwalt vor Ort wählen kann und dieser die Ansprüche vor dem nahegelegenen Amtsgericht geltend machen kann.
Die Reiseveranstalter konnten sich bisher zurücklehnen, da diese zum einen wussten, dass viele Kunden vor den widrigen Umständen bei der Geltendmachung zurückschreckten und weil die Veranstalter sich bestens auf die Rechtsprechung des Gerichts einstellen konnten, da diese über Jahrzehnte gefestigt und bekannt war. All diese Vorteile zu Gunsten der Veranstalter entfallen mit dieser Entscheidung