Kundenfreundliche Entscheidung des EuGH vom 29.07.2024 C-774/22

Ich möchte an dieser Stelle über eine wichtige Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Aktenzeichen C-774/22 vom 29.07.2024 sprechen.

In dieser Entscheidung hat der EuGH klargestellt, dass Verbraucher im Reiserecht nicht mehr am Gerichtsstand des Reiseveranstalters klagen müssen, sondern am Gericht ihres Wohnsitzes klagen können, wenn es im Streit um eine Reise mit Auslandsbezug geht.

Ich stelle die enormen Auswirkungen des Urteils an einem Beispiel dar:

Sie haben Ihren Wohnsitz hier in Worms und buchen eine Pauschalreise nach Spanien.

Bei der Durchführung der Reise kommt es zu Mängeln und der Veranstalter will keine Reisepreisminderung zugestehen. Bislang war die einhellige Ansicht der Rechtsprechung, dass Sie eine Klage dann am Sitz des Veranstalters geltend machen mussten. Für die großen deutschen Reiseveranstalter bedeutet dies, dass der Kunde aus Worms in Hannover, Duisburg, Köln, München klagen musste, da dort die großen Reiseveranstalter ihren Sitz hatten.

Das ändert sich mit dem Urteil des EuGH gravierend.

Der EuGH hat unmissverständlich klargestellt, dass die europarechtlichen Verbraucherschutzvorschriften der Zivilprozessordnung vorgehen.

Das hat zur Folge, dass der Kunde aus Worms künftig seine Ansprüche vor dem Amtsgericht Worms geltend machen kann, der Kunde aus Karlsruhe am Amtsgericht Karlsruhe und der Kunde aus Berlin in Berlin etc.

Dies stellt für den Kunden und den ihn vertretenden Rechtsanwalt eine enorme Erleichterung dar.
Eine mündliche Verhandlung und eine etwaige Zeugenbefragung finden somit zukünftig nicht mehr weit weg, vom Wohnort des Kunden statt, sondern direkt vor seiner Haustüre.

Man muss keinen Antrag auf Durchführung der Verhandlung im Zuge der Videoübertragung stellen und man muss auch keinen Anwalt am Sitz des weit entfernten Gerichts suchen und beauftragen, sondern kann alles in der eignen Nähe klären lassen.

Das stellt für die Kunden eine erhebliche Erleichterung dar und nimmt auch den finanziellen Druck, der durch eigene Reisekosten, Reisekosten des Anwalts oder Zusatzkosten für einen weiteren Anwalt vor Ort entstanden sind.
Bislang erfolgte die Rechtsprechung im Reiserecht nahezu ausschließlich an den genannten Gerichtsstandorten und war eingefahren.

Das wird sich durch das Urteil des EuGH deutlich verändern.

Wann hilft Ihnen dieses Urteil und findet auf ihren Fall Anwendung?

Sie müssen Verbraucher sein und auf der Gegenseite muss sich ein Unternehmen befinden. Das ist bei jeder Reisebuchung im Regelfall erfüllt, zeigt aber, dass dieses Urteil auf reine Geschäftsreisen keine Anwendung findet.

Die Reise muss einen Auslandsbezug haben. Für Urlaubsreisen, die im Inland gebucht und durchgeführt werden, findet dieses Urteil keine Anwendung.

Ausgenommen sind auch reine Beförderungsdienstleistungen. Wenn Sie also nur einen Flug gebucht haben oder nur eine Bahnreise, findet das Urteil keine Anwendung. In allen anderen Fällen greift es, wie z.B. auch bei der Buchung eines Hotelzimmers oder einer Ferienwohnung über einen Reiseveranstalter oder auch bei der reinen Buchung eines Mietwagens im Ausland.

Dieses Recht zum Schutz des Verbrauchers kann nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden. Würde Ihr Reisevertrag eine von diesem Grundsatz abweichende Klausel enthalten, wäre sie unwirksam.

Das Urteil gilt auch, wenn der Veranstalter seinen Sitz im Ausland hat.

Wenn Sie also ein Ferienhaus über einen großen Freizeitpark im Ausland gebucht haben und es ergeben sich Mängel, können Sie an Ihrem aktuellen Wohnsitz klagen und müssen nicht im Ausland klagen.

Sofern sich das Angebot eines ausländischen Anbieters auf den deutschen Markt bezieht, findet auch deutsches Recht Anwendung.

Fazit:

Mit dem genannten Urteil erleichtert der Europäische Gerichtshof die Geltendmachung von reiserechtlichen Ansprüchen enorm. Der Kunde wird wesentlich besser geschützt, da er seinen Anwalt vor Ort wählen kann und dieser die Ansprüche vor dem nahegelegenen Amtsgericht geltend machen kann.
Die Reiseveranstalter konnten sich bisher zurücklehnen, da diese zum einen wussten, dass viele Kunden vor den widrigen Umständen bei der Geltendmachung zurückschreckten und weil die Veranstalter sich bestens auf die Rechtsprechung des Gerichts einstellen konnten, da diese über Jahrzehnte gefestigt und bekannt war. All diese Vorteile zu Gunsten der Veranstalter entfallen mit dieser Entscheidung

Schöne Weihnachtsfeiertage und ein gutes Jahr 2024

Die Kanzlei Liedorp-Osner ist im Zeitraum 21.12.2023-01.01.2024 geschlossen.

Ab dem 02.01.2024 bin ich wieder zu den gewohnten Zeiten für Sie da.

An dieser Stelle möchte ich mich für das entgegengebrachte Vertrauen bedanken und wünsche Ihnen allen und Ihren Familien schöne Feiertage und ein gutes und gesundes Jahr 2024.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Liedorp-Osner
Rechtsanwalt

Urlaub am 16.06.2022

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Mandantinnen und Mandanten,

am Freitag, den 16.06.2022 ist die Kanzlei urlaubsbedingt geschlossen.

Gerne können Sie mir Ihr Anliegen per E-Mail senden: info@rechtsanwaltworsm.de .

Am Montag, 20.06.2022 bin ich wieder wie gewohnt zu erreichen.

Mit freundlichen Grüßen

Liedorp-Osner
Rechtsanwalt

Öffnungszeiten Weihnachten und zwischen den Jahren 2021

In der Zeit vom 24.12.2021-02.01.2022 ist die Kanzlei geschlossen. In wichtigen Fällen erreichen Sie mich per E-Mail unter: info@rechtsanwaltworms.de .

Ab dem 03.01.2022 bin ich zu den gewohnten Bürozeiten wieder zu erreichen.

Ich wünsche Ihnen allen schöne Weihnachtsfeiertage und ein gutes und gesundes Jahr 2022!

Am 14.05.2021 ist meine Kanzlei geschlossen

Liebe Mandantinnen und Mandanten,

am Freitag 14.05.2021 ist meine Kanzlei geschlossen.

Ab Montag 17.05.2021 bin ich wieder wie gewohnt für Sie erreichbar.

Mit freundlichen Grüßen und bleiben Sie gesund.

Liedorp-Osner
Rechtsanwalt

Rechtsprechnung zum Reiserecht unter Corona-Bedingungen Amtsgericht Düsseldorf 37 C 414/20

Besprechung des Urteils zum Reiserecht Amtsgericht Düsseldorf, Urteil vom 26. Februar 2021 –

37 C 414/20

Das Amtsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass sich bereits aus pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen im Hotelbetrieb eine Reisepreisminderung gemäß § 651 m BGB ergibt. Das Gericht hat einem Reisenden eine Minderungsquote von 20% zugestanden.

Was war geschehen?

Der Kläger hatte im Dezember 2019 einen Familienurlaub nach Portugal gebucht. Der Kläger reiste zusammen mit seiner Ehefrau sowie einer 9 Jahre alten und einer 5 Jahre alten Tochter.

Laut der Beschreibung verfügte das Hotel einen Swimmingpool mit separatem Kinderpool, ein Hallenbad, einen Whirlpool, einen Fitnessraum und einen Spielplatz. Im Hinblick auf behördlich angeordnete Hygienemaßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie kam es zu Einschränkungen in der Nutzung von Hoteleinrichtungen. Der Spielplatz durfte nicht benutzt werden, das gleiche galt für den Fitnessraum. Ferner konnte das Essen nicht in Form eines Buffets serviert werden, sondern es durfte sich im Raum der 2-mal täglichen Essensausgabe jeweils nur eine Familie aufhalten. Hierdurch kam es zu Wartezeiten bei der Essensausgabe von durchschnittlich 45 Minuten. Ferner waren das Hallenbad und der Whirlpool geschlossen, der Außenpool war nur nach Reservierung jeweils für einen halben Tag benutzbar. Darüber hinaus war auch innerhalb der Benutzungszeiten der Pool nur für 15 Personen und im Kinderpool ein Kind nutzbar, im Anschluss wurde der Pool jeweils desinfiziert.

Der Reisende verlangte eine Minderung der Reisekosten um 20%. Der Veranstalter lehnte dies ab, doch das Amtsgericht Düsseldorf gab dem Reisenden recht.

Begründung des Gerichts:

Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Gericht aus, dass es für die Annahme eines Mangels und des Anspruchs auf Minderung zunächst nicht darauf ankommt, dass der Veranstalter nicht zuständig für die Einschränkung des Hotelbetriebs ist, da ein Mangel auch bei höherer Gewalt angenommen werden kann.

Die aufgrund der Corona-Pandemie bestehenden Einschränkungen gingen auch deutlich über typische Alltagsbeeinträchtigungen hinaus und stellen auch keine Realisierung eines alltäglichen Lebensrisikos dar.

Durch die geltenden Beschränkungen ist der Sinn und Zweck des Erholungsurlaubs beeinträchtigt, so dass sich die Höhe der Minderung nach der Relation zwischen dem vorgesehenen Nutzen der Reise als Erholungsurlaub und der Beeinträchtigung dieses Nutzens bestimmt. Das Gericht unterscheidet dabei auch zwischen einem Familienurlaub und dem Urlaub einer Einzelperson, da je nach Art des Urlaubs eine unterschiedliche gewichtung der Beeinträchtigungen geboten ist.

Die Beeinträchtigung der Reise sieht das Gericht darin, dass der typische Inhalt des Urlaubs, des sich frei bewegen Könnens und die freie Interaktion mit anderen Gästen drastisch beeinträchtigt ist.

Diese Einschränkung der menschlicher Grundbedürfnisse Kontakte herstellen zu können, stellt eine erhebliche psychische Beeinträchtigung dar, die die Erholungswirkung eines Urlaubs regelmäßig beeinträchtigen.

Sehr zutreffend formuliert das Gericht:

Wird man hingegen im Urlaub durch allgegenwärtige Hygienemaßnahmen praktisch vom Zeitpunkt des Aufstehens bis zum Zeitpunkt des Schlafengehens ständig daran erinnert, dass ein normaler Alltag den Menschen nicht einmal mehr im Urlaub gewährt ist, liegt hierin offensichtlich eine erhebliche Beeinträchtigung der Erholungsfunktion des Urlaubs, die bereits für sich genommen eine Minderung rechtfertigt.

Im entschiedenen Fall kam dann noch hinzu, dass der zugesicherte Kinderpool jeweils nur von einem Kind genutzt werden konnte.

Somit waren die Voraussetzungen der gesetzlichen Regelung erfüllt, dass der Reisende von der Reise zurücktreten konnte und der Veranstalter keinen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung hatte. Da es sich für den Veranstalter erkennbar um eine Familienurlaub gehandelt hatte und auch dieser Nutzen beeinträchtigt wurde, sprach das Gericht auch hierfür eine Minderung zu.

Zu guter Letzt wurde dann für die Ermittlung der Minderungsquote noch auf die Schließung der Fitnessräume abgestellt und das Gericht kam in der Gesamtschau zu einer Minderungsquote von 20%.

Welche Konsequenzen hat dieses Urteil?

Die genannte Argumentation wurde meinerseits auch schon verwendet, um eine Minderung der Reisekosten zu erreichen, nachdem der eigentliche Streit um den Rücktritt vom Reisvertrag ging. Bislang wurde meine Fälle durch Vergleich beigelegt, so dass es auf die Beantwortung der Frage der Minderung nicht mehr ankam. Der ein oder andere Richter teilte in Hinweisen mit, dass er dies nicht so sehen würde. Die Entscheidung des AG Düsseldorf ist somit ein großer Gewinn für die Reisenden und nach meiner Ansicht ist die Argumentation sehr überzeugend und sollte in anderen Verfahren eingesetzt werden, um die Position der reisenden Mandanten zu stärken. Ob andere Gerichte dieser Auffassung folgen werden, bleibt abzuwarten, doch haben Reisende immerhin ein Urteil, auf dass sie sich beziehen können.

Ob das Urteil bereits rechtskräftig ist oder seitens des Veranstalters mit der Berufung angegriffen wurde, lässt sich der Veröffentlichung nicht entnehmen. Die Entscheidung ist äußerst aktuell und stammt vom 26.02.2021.

Welchen praktischen Nutzen hat das Urteil?

Sollten Sie in Ihrem Urlaub vergleichbare Erfahrungen mit Beeinträchtigungen gemacht haben (Maskenpflicht, Abstandregelung, Schließung relevanter Hoteleinrichtungen, etc.), verlange Sie eine Erstattung des Reisepreises mit den oben angeführten Argumenten.

Dieser Rat bezieht sich insbesondere auf Reisen, die vor Ausbruch der Pandemie gebucht wurden, bzw. zu einem Zeitpunkt, als von diesen drastisch einschränkenden Maßnahmen noch nichts bekannt war.

Empfehlenswert ist es auf jeden Fall auch diese Umstände als Mangel vor Ort beim Veranstalter zu melden, unabhängig davon, ob dieser Abhilfe schaffen kann oder nicht. Dies sollten Sie umsetzen, wenn Ihr Urlaub noch bevorsteht.

Ob die gleiche Argumentation auch für Reisen greift, die in Kenntnis der Einschränkungen gebucht wurden, bleibt abzuwarten.

Die Rechtsprechung zum Reiserecht ist inzwischen in vollem Gange. Viele Einzelfragen sind aber noch ungeklärt und noch nicht höchstrichterlich entschieden. Viele veröffentlichte Entscheidungen zeigen aber verbraucherschützende Tendenzen und auch Urteil des AG Düsseldorf geht ebenfalls in diese Richtung

Gehen Sie davon aus, dass die Veranstalter sich gegen diese Entscheidung wehren werden und diese als „Einzelfallentscheidung“ abtun. Ähnliches war bereits im letzten Jahr zu erkennen, als die Veranstalter sich gegen das Urteil des AG Frankfurt zum kostenfreien Rücktritt gewehrt haben. Die Rechtspraxis zeigte, dass das Urteil des AG Frankfurt schnell kein Einzelfallurteil blieb und viele Veranstalter kommen den Reisenden inzwischen zumindest vor Gericht entgegen. Durchhaltevermögen lohnt sich in diesen Fallen durchaus, sofern die Ansprüche der Reisenden anhand des Sachverhalts gut argumentierbar sind.

Vielen Dank fürs Lesen und bleiben Sie gesund!

Liedorp-Osner

Rechtsanwalt

Corona und Reiserecht: Urteil des Amtsgerichts Köln vom 14.09.2020, Az: 133 C 213/20

Das Amtsgericht Köln hat am 14.09.2020 eine Entscheidung zum Thema Corona und Reiserecht veröffentlicht (AZ: 133 C 213/20). Es handelt sich dabei um die zweite mir bekannte Entscheidung eines Gerichts zum Thema Kostenerstattung bei Rücktritt wegen der Corona-Pandemie.

Das Amtsgericht entschied dabei zu Gunsten des Reisenden und der Veranstalter wurde verurteilt, die getätigten Zahlungen vollständig zu erstatten. Das Gericht entschied aber auch, dass in diesem Fall die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zu erstatten waren.

 

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Es war am 07.01.2020 eine Reise nach Japan gebucht worden. Am 02.03.2020 veröffentlichte das Auswärtige Amt, dass Neuinfektionen u.a. vermehrt in Japan aufträten. Weiter wies das Amt auf die Symptome und den Verlauf der Krankheit hin sowie auf die ausgerufene Notlage durch die WHO.

 

Die Reisende wandte sich daraufhin an den Veranstalter und widerrief den Reisevertrag und kündigte/stornierte die Reise hilfsweise und bezog sich in ihrem Schreiben ausdrücklich auf die gesetzliche Regelung des § 651h BGB sowie auf die zunehmend unsichere Lage im Reisegebiet unter Bezug auf die Äußerungen der Regierung sowie auf den Hinweis des Veranstalters, dass vorerst keine Reisen in Länder durchgeführt werden würden, die vom Virus betroffen waren, wobei der Veranstalter nur China und den Iran erwähnte.

Der Veranstalter verweigerte eindeutig und endgültig jede Zahlung an die Klägerin.

Diese schaltete einen Anwalt ein, der nochmals vorgerichtlich tätig wurde und danach Klage einreichte.

Das Amtsgericht Köln entschied größtenteils zu Gunsten der Klägerin. Bezüglich der Hauptsache erhielt sie voll umfänglich Recht ,bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltskosten wurde die Klage abgewiesen.

Bezüglich der Erstattung der Reisepreisanzahlung nahm das Gericht mehrfach Bezug auf die bereits veröffentlichte Entscheidung des AG Frankfurt vom 11.08.2020, 32 C 2136/20, machte aber weitergehende Ausführungen.

Zunächst befasste sich das Gericht mit den Formulierungen im Schreiben der Klägerin und wies darauf hin, dass das Reiserecht die gewählten Formulierungen so nicht kenne. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist der Rücktritt zu erklären. Aufgrund des klaren Hinweises auf § 651h BGB und den restlichen Inhalt, ließ man die Erklärung aber genügen, zumal die Beklagte dies auch als Rücktritt erkannte und behandelte.

Es wurde darauf eingegangen, dass es entscheidend auf den Zeitpunkt ankommt, wann der Reisende den Rücktritt erklärt und dass auf die Sicht des Reisenden zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung abzustellen ist. Deutlich wurde gesagt, dass ein „Nachschieben von Gründen“ oder ein verfrühter Rücktritt zu Lasten des Reisenden gehen.

 

Das Amtsgericht Köln verwies sodann darauf, dass es ältere Rechtsprechung im Reiserecht zum Thema Prognoseentscheidung des Reisenden für anwendbar hält. So genügte z.B. nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Wahrscheinlichkeit von 25%, dass es im Reisegebiet zu einem Hurrikan kommen könnte.

Ausdrücklich verwies man auch auf eine als überzeugende Definition dargestellte Formulierung aus der juristischen Literatur.

Demnach liegt eine erhebliche Beeinträchtigung  schon dann vor, wenn es zwar überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Gefährdung nicht eintritt, aber gewisse, nicht fernliegende und von der Hand zu weisende, objektive und nicht nur auf Ängsten des Erklärenden beruhende Umstände für den gegenteiligen Ablauf sprechen. Diese Kriterien seien auch auf die Pandemie-Situation anzuwenden.

 

Weiter klarstellend wird nochmals formuliert, dass gerade kein Warnhinweis des Auswärtigen Amts vorliegen muss. Es genügt eine reiner Sicherheitshinweis durch das Amt.

 

Sinngemäß führt man in Bezug auf die Corona-Pandemie aus:

 

Gerade wenn mit den bevorstehenden Gefahren, die realistische Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung, die zu einer erheblichen Gesundheitsgefährdung und bis zum Tod führen kann, dürfen bei einer sich schnell verbreitenden Infektionsrate keine zu hohen Voraussetzungen für den Rücktritt gesetzt werden“.

 

Für en Rücktritt ließ es das Amtsgericht genügen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung für die Klägerin im Fall des Reiseantritts deutlich wahrscheinlicher war als beim Verbleib zu Hause.

 

Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten scheiterte in diesem Einzelfall daran, dass der Veranstalter jegliche Erstattung im Vorfeld endgültig und ernsthaft verweigert hatte. Die Klägerin durfte daher nicht davon ausgehen, dass die Beauftragung eines Anwalts daran etwas ändern würde.

 

Konsequenzen für die Praxis:

 

Was bedeutet dieses Urteil für die Reisenden?

Zunächst ist damit klar, dass die Kriterien, die das Amtsgericht Frankfurt angeführt hat, auch hier Anwendung finden und es wurde eine verwertbare Definition für die Prognoseentscheidung geliefert.

In meiner Praxis hat sich gezeigt, dass Veranstalter gerne darauf hinweisen, dass es sich bei der Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt um eine Einzelfallentscheidung handelte, die nicht grundsätzlich anwendbar sein. Zwar war diese Aussage in der pauschalen Form noch nie ganz richtig, doch zeigt sich, dass auch andere Gerichte ähnlich entscheiden und argumentieren. Dies kann den ablehnenden Veranstaltern jetzt mit etwas mehr Vehemenz entgegengehalten werden.

 

Relevant ist sicherlich die Beschäftigung des Gerichts mit der Formulierung der Erklärung der Reisenden. Achten Sie weiterhin ganz bewusst darauf, auf die Corona-Pandemie hinzuweisen. Je ausführlicher desto besser. Verwenden Sie den Rechtsbegriff des Rücktritts und weisen Sie zusätzlich auf § 651h BGB hin, um auf der sicheren Seite zu sein. Nichts wäre bitterer, als einen Anspruch zu haben, der an der Formulierung der Erklärung scheitert.

 

Sollen Sie jetzt auf die Einschaltung eines Anwalts verzichten?

Die klare Antwort: Nein! Zum einen bedienen sich diverse Veranstalter noch immer der „Vogel-Straß-Taktik“ und reagieren schlicht gar nicht. In diesen Fällen ist die Beauftragung eines Anwalts immer sinnvoll und dessen Kosten können zur Erstattung verlangt werden. Hat der Veranstalter die Erstattung verweigert, muss aber klar sein, dass dann am besten direkt ins Klageverfahren übergegangen werden sollte. Hier könnte es sein, dass der Mandant auf den vorgerichtlichen Anwaltskosten „sitzen bleibt“. Dies kommt nicht ganz so schlimm zum Tragen, wenn eine Rechtsschutzversicherung besteht. Sollten Sie nach dem Lesen dieses Beitrags zu einem Anwalt gehen, weisen sie ihn oder sie am besten auf das Urteil des Amtsgerichts Köln hin.

 

Das Urteil ist ein weiterer Schritt Richtung Rechtssicherheit in der Beratung und gibt den Anwälten mehr Sicherheit bei der Prüfung der Ansprüche.

 

Anders als das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt ist dieses Urteil aber noch nicht rechtskräftig und kann im Zuge der Berufung noch angegriffen werden.

 

 

 

 

 

 

 

Reiserecht: Urteil des AG Frankfurt 32 C 2136/20

Besprechung des Urteils zum Reiserecht AG Frankfurt, Urteil vom 14.07.2020, 32 C 2136/20 (18):

 

Das Amtsgericht Frankfurt hat entschieden, dass ein Reiseveranstalter einem Vertragspartner die geleistete Anzahlung erstatten muss, da der Reisende auf Grund der Corona-Pandemie die Reise storniert hat.

 

Was war geschehen?

 

Der Kläger hatte im Mai 2019 eine Reise nach Italien gebucht, die am 14.04.2020 beginnen sollte. Er leistete eine Anzahlung und nach eigener Behauptung sogar den vollständigen Reisepreis.

Am 07.03.2020 stornierte er die Reise und begründete dies mit „außergewöhnlichen Umständen im Reisegebiet“, gemeint war die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 bzw. der COVID-19-Pandemie

 

Der Reisveranstalter verweigerte die Erstattung von Zahlungen.

 

Das Amtsgericht Frankfurt gab jedoch dem Kläger Recht und verurteilte den Reiseveranstalter zur Erstattung der geleisteten Anzahlung. Der Kläger erhielt den vollen Reisbetrag nur nicht zurück, weil er die vollständige Zahlung nicht nachweisen konnte. Wäre der Beweis gelungen, hätte er nach der Urteilsbegründung auch den vollen Reispreis erstattet bekommen.

 

Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Gericht aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Entscheidung, die Reise zu stornieren, weil er berechtigt war, davon auszugehen, dass im Reisegebiet außergewöhnliche Umstände vorliege würden, die die Durchführung der Pauschalreise bzw. den Flug nach Neapel erheblich beeinträchtigen würden. Der entsprechende Anspruch ergibt sich aus § 651 Abs. 1 bis 3 BGB.

Das Amtsgericht hat dabei auf eine vorzunehmende Prognose abgestellt. Für die Bewertung der Berechtigung der Stornierung kommt es also auf die Sicht des Reisenden zum Zeitpunkt der Ausübung des Gestaltungsrechts an. Nach der Ansicht des Gerichts ist dabei auf einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Stornierungszeitpunkt und Reisebeginn abzustellen. Im entschiedenen Fall lag zwischen beiden Zeitpunkten etwas mehr als ein Monat, was das Gericht für ausreichend erachtete.

 

In solchen Fällen ist der Kläger für die Tatsache beweisbelastet, dass unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände vorliegen, welche die Durchführung der Reise oder der Beförderung

erheblich erschweren.

Das Amtsgericht Frankfurt sah sowohl die Unvermeidbarkeit als auch die außergewöhnlichen Umstände durch die Corona-Pandemie in Italien als gegeben an ohne dass es dabei auf strenge Voraussetzungen abstellte. Es wurde ausdrücklich dargestellt, dass es kein zwingendes Erfordernis ist, dass bereits eine Reisewarnung für das Zielgebiet ausgesprochen wurde. Es genügt, dass bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass eine Gesundheitsgefährdung gegeben ist.

 

Diese Gegebenheiten führe das Gericht als gerichtsbekannt an und zitierte einen entsprechenden Wikipeia-Eintrag.

 

Somit waren die Voraussetzungen der gesetzlichen Regelung erfüllt, dass der Reisende von der Reise zurücktreten konnte und der Veranstalter keinen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung hatte.

 

Welche Konsequenzen hat dieses Urteil?

Das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt dürfte eine große Signalwirkung haben und schafft einen großen Schritt Richtung Klarheit, wie ähnliche Fälle zu behandeln sind

 

ABER: Äußerst wichtig zu beachten ist, die Tatsache, dass das Gericht völlig klarstellt, dass sich eine schematische Behandlung der reiserechtlichen Fälle zur Corona-Pandemie strikt verbietet und dass es IMMER auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Man muss sich also zwingend davor hüten, davon auszugehen, dass jetzt jedem zurückgetretenen Reisenden, volle Erstattungsansprüche zustehen.

 

Was ist bei der Prüfung von Erstattungsansprüchen jetzt zu beachten?

Das Gericht hat mit seiner ausführlichen Entscheidung einige Eckdaten formuliert, die bei der Anspruchsprüfung zu beachten sind.

Zunächst kommt es darauf an, wann die Reise gebucht wurde, wann sie stattgefunden hätte und wann sie storniert wurde. Eine Vorratsstornierung, d.h. eine Stornierung zu einem sehr frühen Zeitpunkt kann dazu führen, dass keine Erstattungsansprüche bestehen. Dies gilt nach der Rechtsansicht des Amtsgerichts Frankfurt insbesondere, wenn die Stornierung weit vor dem Reisebeginn erklärt wurde, um sich dann darauf zu berufen, dass die Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Reisantritts noch immer gegeben sind. Wie lange dieser Zeitraum zwischen Erklärung der Stornierung und Reisebeginn sein darf, kann der Entscheidung nicht entnommen werden. Der entschiedene Zeitraum lag bei sechs Wochen und war ausreichend. Welche anderen Zeiträume möglich sind, wird die Zeit zeigen und wird auch von der Rechtsansicht des Richters und den weiteren Umständen des Einzelfalls abhängen.

Wichtig ist zu wissen, dass die Anforderungen an den Vortrag zur erheblichen Beeinträchtigung nach den Ausführungen des Gerichts nicht allzu streng sein dürfen und dass man sich gut den vorhandenen Informationen aus Medien und Internet bedienen kann, um den Nachweis erfolgreich zu führen. Es genügt, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Gesundheitsgefährdung vorliegt, was eine niedrige Stufe der Darlegungs- und Beweislast ist.

Eigentlich klar, doch in Ansehung des Urteils erwähnungsbedürftig, ist der Umstand, dass ein Reisender als Kläger beweispflichtig für jede geleistete Zahlung ist, die zur Erstattung verlangt wird. . Bewahren Sie also Ihre Kontoauszüge, Zahlungsbestätigungen, Quittungen etc. gut auf und achten Sie darauf, dass diese dem Gericht entsprechend vorgelegt werden.

 

Mit diesen Informationen können Sie zunächst selbst prüfen, ob Chancen auf eine Erstattung bestehen. Lassen Sie sich auf keinen Fall von Ihrem Reisveranstalter abwiegeln sondern lassen Sie Ihre Ansprüche ggf. von einem sachkundigen Rechtsanwalt im Lichte dieser sehr neuen Entscheidung prüfen.

 

 

 

Miete, Kündiung und Corona: Eine Übersicht sowie Fragen und Antworten

Die Bundesregierung hat zum Schutz von Mietern im Zuge der Corona-krise ein Gesetz erlassen, dass Kündigungen wegen Zahlungsverzug für den Zeitraum April – Juni 2020 zunächst untersagt.

Den Wortlaut der Regelung findet man unter Art. 240 EGBGB.

Es ist äußerst wichtig, die Regelung richtig zu verstehen, da Missverständnisse schnell teuer werden können.

Was genau wird also zum Schutz der Mieter geregelt?

Sofern der Mieter im Zeitraum 01.04.2020-30.06.2020 in Zahlungsrückstand mit der Miete gerät, kann der Vermieter nicht mit der Begründung der Nichtzahlung von Miete kündigen.

Die Nichtleistung muss aber mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie (auch COVID-19-Pandemie genannt) zu tun haben. Dieser Zusammenhang muss vom Mieter glaubhaft gemacht werden.

Die Glaubhaftmachung kann durch eine Versicherung an Eides statt erfolgen, wovon ich zumindest ohne Begleitung und Beratung durch eine Rechtsanwalt dringend abrate. Eine falsche Versicherung an Eides statt hat weitreichende, strafrechtliche Konsequenzen. Die Glaubhaftmachung kann nämlcih auch einfacher geschehen, wie z.B. durch die Bestätigung des Arbeitgebers.

Was wird nicht geregelt?

Es wird nicht geregelt, dass der Mieter von seiner Zahlungspflicht frei wird! Diese Unterscheidung ist ENORM wichtig. Als Mieter bleiben Sie in der Zahlungspflicht und geraten in Verzug, wenn sie nicht bezahlen. Der Vermieter hat also Ansprüche auf Schadenersatz und Verzugszinsen. Er kann eben nur nicht kündigen.

 

FAQ:

Frage 1: Was soll ich tun, wenn ich nicht bezahlen kann?

Antwort: Sie müssen dies dem Vermieter zwar nicht mitteilen, sollten dies aber. Transparenz sollte groß- geschrieben werden. Teilen Sie dem Vermieter zeitnah mit, dass es Ihnen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nicht möglich ist, die laufende Miete zu bezahlen. Verlangt der Vermieter einen Nachweis, hat er darauf einen Anspruch und man sollte eine Antwort geben und die Umstände durch Vorlage weiterer Unterlagen glaubhaft machen.

 

Frage 2: Was passiert, wenn ich zwar vollständig aber zu spät bezahle?

Antwort : Auch dann kann der Vermieter Ihnen nicht kündigen oder sie abmahnen, wenn die Verspätung auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht.

 

Frage 3: Kann ein Mieter jetzt bis zum 30.06.2020 gar nicht gekündigt werden?

Antwort: Nur die Kündigung wegen eines Zahlungsrückstandes für den benannten Zeitruam ist ausgeschlossen. Kündigungen wegen Zahlungsrückstände, die schon zuvor bestanden, sind möglich ebenso Kündigungen aus anderen Gründen (Vertrasverletzungen, Eigenbedarf,…)

 

Frage 4: Was ist, wenn ein Teil des Rückstandes schon vorher entstanden ist und erst der Rest ab April 2020?

Antwort: Auch in diesen Fällen ist der Mieter geschützt. Wenn ein zuvor entstandener Rückstand den Vermieter nicht zur Aussprache der Kündigung berechtigte, dann können Rückstande aus dem geregelten Zeitraum nicht herangezogen werden, um die Kündigung zu begründen, wenn die Nichtleistung im Zusammenhang mit der Pandemie steht.

 

Frage 5: Für welche Mietverhältnisse gilt die Regelung?

Antwort: Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen Wohnraummiete und gewerblicher Vermietung und gilt somit für beide Formen der Miete sowie für Pachtverhältnisse.

 

Frage 6: Wann muss der Mieter die Miete zurückbezahlen?

Antwort: Die Miete muss bis spätestens zum 30.06.2022 zurückbezahlt sein. Ab den 01.07.2022 darf der Vermieter dann Kündigungen auch auf Zahlungsrückstände aus dem Zeitraum 01.04.-30.06.2020 stützen!

 

Frage 7: Kann von dieser Regelung abgewichen werden?

Antwort: Das Gesetz regelt klar und eindeutig, dass von dieser Regelung unter keinen Umständen zum Nachteil des Mieters abgewichen werden kann!

 

Sollten Sie andere Fragen haben, die unbeantwortet blieben, können Sie sich gerne an mich wenden.

 

Bleiben Sie gesund, für alles andere findet sich eine Lösung!

 

Liedorp-Osner

Rechtsanwalt